Doris Krampf   April 2002

zeitZeichen - ein Plädoyer zum Zeitgeschehen

18 Künstlerinnen und Künstler ziehen Bilanz

Die Idee zu dieser Ausstellung entsprang dem Bedürfnis, Künstler zu den Schockmeldungen, die uns seit dem Jahr 2000 intensiv verfolgen, zu Wort kommen zu lassen.

Wir erinnern uns an die Katastrophenmeldungen über die Bovine Spongiform Enzephalopathie, kurz BSE, Ende 2000 oder Berichte zur Maul- und Klausenseuche, über Massenschlachtungen bis zu den Ereignissen am 11. September 2001 und die anschließenden Meldungen zur Terrorisierung durch die Milzbrand-Erregen (Antrax), gefolgt von den neuesten Erkenntnissen und Errungenschaften in der Genforschung.

Anfang 2001 hat der kunstvereinhürth e.V. alle Künstler in Köln und Umland dazu aufgefordert, sich mit Arbeiten zu den aktuellen Themen zu bewerben. Interessant war für uns die Frage, ob und wie viele bildende Künstler überhaupt zeitkritisch und zu diesen aktuellen Themen arbeiten.

Überraschenderweise haben sich über 100 Künstlerinnen und Künstler aus dem Großraum Köln aus allen Bereichen der Bildenden Kunst - Malerei, Skulptur, Video, Installation, Fotografie, Performance - beworben. 18 Künstlerinnen und Künstler wurden letztendlich für diese gemeinsame Ausstellung ausgewählt, wobei auf ein Gleichgewicht in den verschiedenen Bereichen der Kunst und auf den thematischen Schwerpunkt geachtet wurde.
Tendenziell wurden die Themen BSE als Folge der Massentierhaltung, unsere Esskultur sowie die Genforschung besonders aufgegriffen. Das diese Themen nicht nur zeitlich begrenzt aktuell sind, beweisen die periodisch, immer wiederkehrenden Berichte über neue BSE-Fälle, über weitere Verfütterung von Tiermehl, trotz Verbot usw.

Was aber bewirkt, dass keine gravierenden Änderungen vonstatten gehen, dass wir uns dauerhaft der Konsequenzen bewusst sind und unsere Art und Weise zu leben überdenken?
In unserem medialen Zeitalter werden wir mit Katastrophenmeldungen überflutet, die begierig aufgesogen werden. Das Maß der Schockwirkung und unserer Anteilnahme steigt und fällt oftmals nur durch die Intensität und Häufigkeit der Berichterstattung, d.h. einerseits stumpfen wir gegenüber der Bedeutsamkeit bestimmter Themen ab und verlieren die Fähigkeit, sinnvoll zu reagieren. Andererseits gaukelt uns unser Verdrängungsmechanismus sehr rasch wieder Normalität vor.

Dieses ganze Dilemma demonstriert aber weniger unsere Ignoranz oder Gutgläubigkeit als unsere Abhängigkeit von und unsere Beeinflussbarkeit durch die Medien. Auch wenn uns heute keine Meldungen mehr von BSE, erschreckende Tierhaltungsmethoden, Futtermittelskandale oder die Entwicklung und Verbreitung biochemischer Waffen erschauern, ist die Gefahr längt nicht gebannt und ein jeder von uns muss sich weiterhin mit der Problematik auseinandersetzen.
Gleiches gilt bei der Diskussion zur Genforschung. Auch wenn die Abstimmung des Bundestages am 30.01.02 zum Thema Import embryonaler Stammzellen zu einem positiven Ergebnis gekommen, und damit die Debatte vorerst abgeschlossen ist, müssen wir uns auch weiterhin dem Diskurs stellen und den weiteren Verlauf und die Konsequenzen abwägen.

Die Pflicht zur kontinuierlichen und kritischen Stellungnahme

Stellung bezogen haben bereits viele - Forscher, Philosophen, Theologen, Rechtswissenschaftler, Politiker - aber was ist mit der Kunst?
Auch die Kunst wird in die Pflicht genommen, denn sie kann als Spiegel der Zeit - auch noch nachhaltig - dokumentieren, kritisieren, hinterfragen, aufdecken und provozieren.
18 Künstlerinnen und Künstler aus dem Kölner Raum haben sich in dieser Ausstellung dem Thema zeitZeichen gestellt. Sie haben unmittelbar reagiert, Stellung bezogen und kritisiert, zeigen Visionen und hintergründige Denkmale, geben Anregungen und laden ein zur Reflexion.

(...)

Harry Birkofer mixt und kocht in seiner Collageküche munter Fastfood-Gerichte zu einem wahrlich köstlichen "Big Brechfest"-Menü. Wer das nicht glauben kann, sollte einen Blick in den mit Gebissen vollgeladenen Einkaufswagen werfen und erkennen, wie einem beim Genuß dieser Köstlichkeiten das Wasser im Munde zerläuft.

(...)

ZeitZeichen ist ein Konglomerat verschiedener künstlerischer Ideen zu einem vorgegebenen Thema. Die Künstler/-innen dokumentieren sehr persönliche Gedanken als Resultat einer kritischen Auseinandersetzung.
Die Ausstellung definiert die persönliche Haltung des einzelnen Künstlers zur Realität seiner Zeit. Dementsprechend vielfältig und verschiedenartig ist auch die künstlerische Umsetzung.

18 Künstlerinnen und Künstler haben Bilanz gezogen über die Geschehnisse der letzten zwei Jahre.
Sie haben gesellschaftskritische Denkanstöße formuliert, unterschiedliche Perspektiven beleuchtet, Anlaß zu kritischen Reflexionen gegeben und somit einen nennenswerten Beitrag zu aktuellen Diskussionen geleistet.

Doris Krampf
Kuratorin
anläßlich der Ausstellung "zeitZeichen" im Kunstverein Hürth e.V.



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